Montag, 12. November 2012

Die Medien sind an allem schuld

Es ist Länderspielzeit. Für den durchschnittlichen Fußballfan heißt das, er kann sich unter der Woche endlich mal wieder Frau und Kind, oder Freundin, oder Mutti und Omi, oder wemauchimmer widmen... Freundschaftsspiele gegen die Niederland holen nun wirklich niemanden mehr hinter dem Ofen hervor - noch nichtmal die deutschen Nationalspieler selbst, anders ist die Absageflut vor dem letzten Länderspiel des Jahres nicht zu erklären.

Umständliche Einleitungssätze beiseite, mein Desinteresse an diesem Nicht-Spiel der Deutschen Nationalmannschaft gibt mir die Möglichkeit auch einmal über etwas anderes zu bloggen, das mir schon lange auf den Lippen brennt. Es geht um eine Sache, auf die Deutschen fast so gerne schimpfen, wie auf ihren Lieblingsverein: DIE MEDIEN!

Fußball - Ein Sport der Superlative

Dass der Fußball ein Sport der Superlative ist, wird inzwischen von breiten Teilen der Öffentlichkeit - dank der gelungenen Sozialierung durch BILD und Konsorten - als beinahe gottgegeben akzeptiert. Spieler und Trainer haben sich längst an das Tagesgeschäft Fußball gewöhnt und damit arrangiert.

Am Wochenende ist man Weltklasse, im Extremfall drei Tage später nur noch Kreisklasse - wenn überhaupt. Das kollektive Gedächtnis der Fans und Medien scheint derartig auf immer neuen spektakulären Input gepolt zu sein, dass nur noch in seltenen Fällen weiter als 90 Minuten zurückreflektiert wird.

Wo ein 1:2 entweder eine Blamage oder zumindest "herb" ist

Beispiele für diese moderne Art der Volksverdummung gibt es unzählige. Blicken wir nur mal auf die Schlagzeilen der letzten Woche. "Barcelona blamiert sich gegen Celtic." Blamiert sich! Natürlich, denn eine Mannschaft, von der jeder Siege erwartet, ist natürlich direkt blamiert, wenn sie ein Spiel verliert.

Dass Barcelona beinahe 85% Ballbesitz und jede Menge gute Chancen hatte und bis auf deren mangelhafte Verwertung nicht wirklich viel falsch gemacht hat, wird dabei einfach ignoriert. Um der Schlagzeile willen.

Blamiert haben sie sich! Völlig belanglos übrigens auch, dass es sich bei dem Gegner nicht um irgendeinen Sechstligisten aus Spanien, sondern um Celtic Glasgow handelte, eine Mannschaft, die für ihre Heimstärke europaweit gefürchtet wird. BLAMIERT! Noch ein Beispiel gefällig? Die "herbe" Niederlage von Malaga entpuppt sich beim Lesen des Artikels als ein eher harmloses und ereignisarmes 1:2. Anscheinend verstehe ich die Bedeutung des Wortes "herb" nicht.

Dortmund kann Europa, aber wer kann Langzeitgedächtnis?

Dass Dortmund "Europa kann", wird nach dem vierten Champions League Spiel der Schwarzgelben in dieser Saison weiter fröhlich als Aufmacher benutzt, ohne dass sich jemand sichtbar daran stören würde.

Redewendungen, die bis vor ein paar Jahren höchstens in der BILD zu finden waren, finden sich mittlerweile in fast allen einschlägigen sportjournalistischen Publikationen. Und das jeden Tag aufs Neue! Sensationssieg hier, Derby da. Und über die Vernunft triumphieren Spektakel und Emotionen. Immer und überall. Emotionen, Emotionen, Emotionen.

Es regiert allerorts: Das Spektakel

Viele werden sich jetzt fragen, was ich mit meinen Ausführungen eigentlich sagen will. Aber hier braucht man eben Geduld, die Erkenntnis liegt am Ende der Reise, nicht an deren Anfang.

Es ist eine Entwicklung, die sich schleichend abspielt. Vielleicht fallen mir diese Dinge auch nur auf, weil sie besonders deutlich beim FC Bayern zu beobachten sind.

Jedenfalls bin ich der Meinung, dass die teilweise schlechte Stimmung im Stadion direkt mit der Art der Berichterstattung über Sport in Verbindung gebracht werden kann. Was passiert wohl, wenn Zuschauer jeden Tag Spektakel im Fernsehen zu sehen bekommen? Wenn sie jeden Tag darüber lesen, welches nervenzerfetzende Duell ihnen am Wochenende wieder bevorsteht? Was passiert mit den Erwartungen der Menschen, wenn jedes Spiel ein Derby sein soll, jedes Spiel das entscheidende Duell zweier Erzrivalen ist?

Der Fußball der Realität ist nicht der Fußball der Medien

Richtig, irgendwann stellt sich ein gewisses Grundverlangen nach diesem Spektakel ein. Ein Versprechen, das der Sport in der Realität, also im Stadion, oft nicht einlöst, garnicht einlösen kann. Ein Anspruch nach ständigen Höchstleistungen, dem der Mensch auf dem Platz auf Dauer nicht gerecht werden kann.

Der Mensch hat nunmal die Tendenz sein Recht nach etwas gerne lautstark einzufordern. In diesem Fall sein Recht nach Spektakel. Ein Recht, dass er eigentlich nicht besitzt, das ihm aber von den Medien suggeriert wird. Ein antrainiertes Verlangen nach Spektakel. Kultivierungshypothese nennt sich das. Der Sportwissenschaftler Josef Hackforth spricht auch von einem Gewöhnungseffekt, der dem Sport langfristig schaden kann.


Die Schönheit des Details

Die Folge sind Pfiffe, wie erlebt am Wochenende beim hochspannenden Spiel zwischen dem couragierten Aufsteiger Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern. Bereits nach 30 Minuten wohlgemerkt. Piffe, weil das was die Sportler auf dem Rasen zeigen nicht dem entspricht, was man aus dem Fernsehen kennt. Pfiffe, weil die Menschen das Gefühl für das echte Spiel verloren haben. Den Blick für die wunderbaren Details.

Der Fußball der Realität ist eben nicht der Fußball der Medien. Er ist eben nicht spektakulär, zumindest nicht im Normalfall. Es ist immer noch nur ein Sport zwischen 22 Spielern und einem Ball. Und wunderschön - manchmal sogar besonders schön in seinen unspektakulärsten Momenten. Auch wenn darüber niemand schreibt.

Lang lebe der Ball!

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