Donnerstag, 7. Juli 2011

Der variabelste FC Bayern aller Zeiten

Die neue Saison steht vor der Türe, die Kaderplanung scheint so gut wie abgeschlossen, Zeit also einen genauen Blick auf das zu werfen, was die Bayernbosse da so veranstaltet haben bisher.
Mit den Transfers von Manuel Neuer, Rafinha, Nils Petersen und Takashi Usami hat der FC Bayern bereits 2 gute Verstärkungen für die erste Elf, sowie 2 potentiell vielversprechende Backups verpflichtet. Der Transfer von Dale Yennings scheint ebenfalls so gut wie sicher zu sein, allerdings soll sich dieser laut Nerlinger zunächst in der zweiten Mannschaft beweisen, bevor er Bundesligaluft schnuppern darf. 

Bleiben bis zum Ligastart noch die Personalien Jerome Boateng und Arturo Vidal zu klären. Während ich bei Boateng nach wie vor optimistisch bin, dass sich die Vereine hinsichtlich der Ablösesumme noch einigen werden, sieht es bei Arturo Vidal für diese Saison düster aus. Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser haben bereits mehr als deutlich gemacht, dass sie ihren besten Spieler der vergangenen Saison nicht zu einem Ligakonkurrenten ziehen lassen wollen. Nur zu verständlich aus meiner Sicht. Dazu kommt, dass das Angebot der Münchener in meinen Augen nicht mehr als ein schlechter Witz sein kann. Was Boateng angeht erwarte ich eine baldige Einigung irgendwo zwischen 13 und 15 Millionen €. Sollte der Transfer tatsächlich nicht zu Stande kommen bräuchte man auf jeden Fall noch einen anderen Neuzugang für die Innenverteidigung, noch eine Saison mit Bumm Bumm Buyten oder Schnarchzapfen Breno halten meine Nerven nicht aus.
Werfen wir nun also einen Blick auf die einzelnen Mannschaftsteile. Was dabei vor allem auffällig: Der FC Bayern ist (wenn alle fit sind) so flexibel wie nie zuvor.


Tor: Die Verpflichtung von Manuel Neuer als künftige Nummer 1 ist ohne Zweifel der Königstransfer dieser Saison. Neuer kommt als gestandener Bundesligatorwart und als Nationaltorhüter nach München und er ist hungrig,  hungrig auf Titel und hungrig auf Erfolg. Ob er wie Oliver Kahn eine Ära (oh Gott dieses Wort ist sowas von ausgelutscht) prägen kann, werden die nächsten Jahre zeigen, das Potential dazu bringt er allemal mit. Sollte Neuer verletzungsbedingt ausfallen steht mit Jörg Butt ein zuverlässiger Backup bereit. Urteil: Um die Torhüterposition muss man sich auf Jahre keine Sorge machen.


Abwehr: Die Abwehr stand als das größte Sorgenkind der vergangenen Saison (völlig zu Recht) im Fokus der Kritik. Nur zu verständlich also, dass Fans und Verantwortliche vor allem hier nach Verstärkungen lechzen. Mit Rafinha und (hoffentlich) Boateng wurden 2 Spieler von internationalem Format verpflichtet. Kein Grund allerdings euphorisch zu werden finde ich. Beiden sehe ich nicht ohne Skepsis entgegen, allerdings fehlen im mittleren Preissegment die Alternativen. Die 5 Mio. für Rafinha sind meiner Meinung nach aber immer noch besser angelegt als 30 Mio. für einen wie Coentrao. Vielleicht bekommen wir ihn ja in ein 1, 2 Jahren zum Schnäppchenpreis (Robben lässt grüßen).
Heynckes Traumformation scheint bereits klar. Phillip Lahm geht zurück auf die linke Seite, wo er meiner Meinung nach auch am besten aufgehoben ist – seine Flanken von der rechten Seite waren sowieso eine Krankheit. Auf der rechten Seite ist Rafinha gesetzt. Die Innenverteidigung bilden Holger Badstuber und Jerome Boateng, sollte er denn kommen. Es würde mich jedoch sehr überraschen, wenn die Verantwortlichen nicht bereits eine Alternative im Auge hätten.

Fazit: Die Abwehr ist auch weiterhin der schwächste Mannschaftsteil, daran ändern auch die Verpflichtungen nichts. Allerdings hat man auf die Schwachstellen der letzten Saison reagiert und auf den entsprechenden Positionen aufgerüstet. Ich bin zuversichtlich, dass es zumindest auf nationaler Ebene für zwei Titel ausreicht. Ob man jedoch mit den Verstärkungen direkt in die Riege der Topfavoriten auf den Champions League Sieg aufsteigt ist eher fraglich. Ich hoffe ich werde eines besseren belehrt. Hinzu kommt, dass keiner der ersten 4 auch nur einen annähernd adäquaten Ersatz hat. Van Buyten ist nicht mehr als ein solider Bundesliga Verteidiger und wird mit dem Alter sicher nicht mehr schneller werden und ob Breno jemals den riesigen Vorschusslorbeeren gerecht wird ist ebenfalls mehr als fraglich. Für die beiden Außenpositionen stehen als Backups lediglich Diego Contento und eventuell noch Daniel Pranjic zur Verfügung, die jedoch in den vergangenen beiden Jahren noch zu unkonstant waren.


Mittelfeld: Das Mittelfeld ist ohne Zweifel das absolute Prunkstück der Münchener. Auf den Außen ist man mit Arjen Robben und Frank Ribery großartig aufgestellt, sollten beide fit bleiben. Ich wünsche es ihnen. In der defensiven Zentrale ist nur Vize-Kapitän Schweinsteiger gesetzt. Um den Platz neben ihm konkurrieren mit  Anatolji Tymoschuk, Luis Gustavo, Toni Kroos und Daniel Pranjic gleich 4 Spieler. Pranjic reicht von der Qualität her nicht an die anderen 3 heran und wird wohl nur als Ergänzungsspieler dienen. Toni Kroos sieht Heynckes eher als offensiven Mittelfeldspieler. Er kann sowohl in der zentralen als auch über die linke Seite kommen. Bleiben also im System mit 2 Sechsern noch Tymo oder Gustavo als Partner für Schweini. Beide haben ihre Stärken und Schwächen, während Tymoschuk durch exzellentes Stellungsspiel und Zweikampfstärke überzeugt, ist Gustavo athletischer und setzt mehr Akzente in der Offensive. It’s a close one.

Auf der zentralen offensiven Position kämpfen Toni Kroos und Thomas Müller um den Stammplatz. Müller scheint im Moment die Nase vorn zu haben, aber in Kroos setze ich – wie jedes Jahr – große Hoffnungen. Als Backups für die Außenpositionen kommen sowohl Usami (rechts), als auch Olic (links), Kroos (links), Müller (rechts), Pranjic (links) oder David Alaba (links) in Frage.

Fazit: Das Mittelfeld und damit die Ausrichtung des FC Bayern ist in der kommenden Saison so vielseitig wie seit langer Zeit nicht mehr. Es gibt gleich eine ganze Reihe von Spielern, die variabel einsetzbar sind – der Traum für jeden Trainer. Vorstellbar sind im klassischen 4-5-1 ein System mit 2 Sechsern und einem offensiven Mittelfeldspieler oder mit einem Sechser und davor 2 Offensiven. Müller dabei eher als hängende Spitze und Kroos als Ballverteiler dahinter. 

Ribery            Müller/ Kroos           Robben                           
            Tymo/ Gustavo   Schweinsteiger                                                  
(Defensivere Variante mit 2 Sechsern)                                               

Ribery       Müller    Kroos       Robben
                Schweinsteiger
 (Offensivere Variante mit 2 Achtern)

Selbst wenn ein Schweinsteiger mal ausfallen sollte, muss man sich meiner Meinung nach wenige Sorgen machen:

Ribery         Müller       Robben
                Gustavo  Tymo
(Variante ohne Schweinsteiger)
Bei Bedarf kann man hier auch einen der beiden Sechser durch Kroos ersetzen (eher Gustavo) und so für mehr Offensive Akzente sorgen.


Sturm: Im Sturm führt natürlich kein Weg an Mario Gomez vorbei. Der 28-Tore Mann ist auch in der neuen Saison im System mit einer Spitze gesetzt. Als Backups stehen mit Ivica Olic und Zweitligatorschützenkönig Nils Petersen quasi zwei Neuzugänge bereit. So sehr ich es Olic gönne bleibt jedoch abzuwarten, ob er nochmal an seine Form aus der Saison 09/10 anknüpfen kann. Nils Petersen wird ebenfalls eine Zeit brauchen, um sich im Oberhaus zu akklimatisieren. Als Alternative steht notfalls auch Thomas Müller zur Verfügung, der jedoch keine klassischer Strafraumstürmer ist, sondern eher hinter der Spitze agiert. Vorstellbar ist im System mit 2 Stürmern nur die Kombination Olic und Gomez oder Olic und Petersen, da sich die beiden Strafraumwühler Gomez und Petersen in Kombination wohl nur auf den Füßen stehen würden. Eine Formation mit  Spitzen wird aber wohl auch bei Heynckes eher die Ausnahme bleiben, da nur schwer vorstellbar ist, dass er Müller/ Kroos bzw. einen der beiden defensiven Mittelfeldspieler opfern wird.

Fazit: Solange Gomez fit ist, ist die Welt im Sturm des FC Bayern in Ordnung. Sollte Gomez jedoch ausfallen sieht es dahinter eher dünn aus. Ivica Olic ist als alleiniger Stürmer in der Mitte nicht die Ideallösung, weil er eher ein spielender Stürmer ist, was im System mit den beiden dominanten Außen nicht optimal ist. Nils Petersen fehlt bei allem Potential noch die Erfahrung, um in die Fußstapfen von Gomez zu treten.


A-Elf:
Neuer - Lahm, Badstuber, Boateng, Rafinha – Gustavo, Schweinsteiger, Ribery, Müller, Robben – Gomez
B-Elf:
Butt – Contento, van Buyten, Breno, Pranjic – Tymoschuk, Kroos, Alaba, Usami – Petersen, Olic


Wie bei der genauen Betrachtung ins Auge sticht fällt das zweite Glied im Vergleich zur ersten Elf deutlich ab. Der FC Bayern hat leider noch nicht den Status eines FC Barcelona oder Real Madrid, wo sich Weltklassespieler auf der Bank tummeln. Das ist schade, aber wenn man die finanziellen Möglichkeiten betrachtet nur logisch.
Solange alle Leistungsträger fit sind, wird mit den Münchnern auf allen Ebenen zu rechnen sein. Die Schmach des letzten Jahres ist noch nicht vergessen und es gibt Einiges gut zu machen.