Sonntag, 1. Juli 2012

Sara Carbonero patzt und der SID macht mit

„Wer anderen eine Grube gräbt, fällt am Ende selbst hinein.“ So lautet eine Lebensweisheit, die sich dieser Tage wieder einmal als wahr erweist. Es ist Konsens, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich bei ihrer EM-Berichterstattung nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert haben*, aber auch die privaten Medien bewiesen diese Woche, dass sie gerne einmal kräftig daneben langen. 

  
Sara Carbonero (die Verlobte von Spaniens Nationaltorhüter Iker Casillas), die Frau mit dem leckeren Nachnamen und den vollen Lippen wurde nach dem Finaleinzug der Spanien das Ziel von Hohn und Spott, weil sie sich vor laufenden TV-Kameras einen peinlichen Ausrutscher leistete. Im Interview nach dem Spiel fragte sie Andres Iniesta, wieso er denn keinen Elfmeter geschossen habe. Der Haken: Iniesta hatte den zweiten Elfmeter für Spanien geschossen und verwandelt. 


Carbonero leistet sich Faux-Pas 


Des einen Freud ist bekanntlich des anderen Leid und so brach in der Folge ein riesiger medialer „Shitstorm“ auf Carbonero herein, weswegen sie sich genötigt sah in ihrer Kolumne absurde mittelalterliche Vergleiche zu ziehen… aber ich schweife ab. Hier ist jedenfalls der Wortlaut dieser Nachricht, wie sie der SID (SportInformationsDienst) veröffentlichte:

„Sara Carbonero hat sich nach dem EM-Halbfinale gegen Portugal kräftig blamiert. Die spanische TV-Moderatorin und Verlobte von Nationaltorhüter Iker Casillas fragte Mittelfeldspieler Andres Iniesta im Live-Interview, ob er sich während des Elfmeterschießens schon auf einen möglichen eigenen Schuss vorbereitet habe. Iniestas trockene Antwort: "Tatsache ist: Ich habe den zweiten geschossen." Carbonero wurde anschließend im Internet zur Zielscheibe für Hohn und Spott. "Ich war wahrscheinlich so nervös, dass ich an etwas anderes gedacht habe", sagte die 28-Jährige.“ (SID)


Wahrscheinlich geht es ihnen jetzt ähnlich wie mir. Lesen, Stirn runzeln, nochmal lesen, Augen angestrengt zusammenkneifen, nachdenken. Es bleibt aber dabei: DIE NACHRICHT ERGIBT IN DIESER FORM KEINEN SINN. 


Der SID patzt und (fast) alle folgen


Das Schlimme ist nicht, dass dem SID ein Fehler unterlaufen ist, beziehungsweise die Nachricht schlecht übersetzt ist und/ oder entscheidende Zusammenhänge fehlen. Das Schlimme ist, dass die Nachricht in dieser Form von einigen der größten deutschen Sport- und Nachrichtenportale übernommen wurde. ** 

Es ist beunruhigend, wenn man sich vorstellt über wie viele Stationen es dieser Text geschafft hat, ohne dass sich jemand zu Wort gemeldet hat und die Sinnlosigkeit der Nachricht - in welcher Redaktion auch immer – angesprochen hat. Da fragt man sich als Leser schon, ob es in der ganzen Verwertungskette niemanden gibt, der sich das Ganze mal durchliest und zu dem Schluss kommt, dass die Geschichte in dieser Form absolut keinen Sinn ergibt. Zumal die Meldung kaum 8 Zeilen lang ist. 


Vorbild BILD???


Das wirklich beunruhigende an der Sache kommt aber erst noch: Als eine der wenigen Newsseiten machte sich die BILD die Mühe, den Artikel umzuschreiben und schaffte damit, was den meisten anderen Seiten nicht gelang: Einen Sinn in diese absurde – und nebenbei bemerkt völlig unnötige - Meldung zu bekommen:

 „Die Freundin von Spanien-Keeper Iker Casillas (31) besticht jedoch mehr durch ihr makelloses Aussehen als durch besondere Fachkompetenz. Das bewies die rassige Brünette erneut, als sie nach dem Halbfinale am Mittwoch gegen Portugal (4:2 n.E.) Spanien-Star Iniesta fragte: „Hatten Sie keine Lust, einen Elfer zu schießen?“ Wäre keine schlechte Frage, hätte Iniesta nicht den zweiten Elfer verwandelt... Sein Konter: „Ja, ich habe den zweiten rein gemacht.“ “ (Quelle: Bild.de) 

Da kommt man schon ins Grübeln. Umso erfreulicher, dass sich manche deutsche Sportseite nicht an diesem Unsinn beteiligte und die Nachricht den Sprung auf deren Seite gar nicht erst geschafft hat.*** 
 
Es zeigt sich dabei, dass Medien und Fans mit Hähme und Spott schnell zur Stelle sind, vor allem wenn weiblichen Journalisten ein derartiger Faux-Pas unterläuft. Dabei gäbe es doch genügend Gründe und Anlässe sich stattdessen mal intensiv mit den Herren Rethy (Einmal müssen wir noch stark sein!), Beckmann oder Poschmann auseinanderzusetzen. 


Michael Stricz
____________________________________________________


 Anmerkungen:

* Ich möchte von dieser - auf meiner ganz persönlichen Meinung beruhenden - Kritik explizit Matthias Opdenhövel, Mehmet Scholl und Oliver Schmidt ausnehmen, die für mich allesamt sehr angenehme Abwechslungen zwischen all den anderen emotionsgeladenen und kompetenzentladenen „Experten“ darstellen. 
Oliver Schmidt, weil er es nicht nötig hat, jede Szene zum Gipfel der Emotionen hochzustilisieren, nur weil ihm die Fachkompetenz fehlt, zu erkennen, was auf dem Rasen vor sich geht. (Hallo Bela!) 
Mehmet Scholl, weil alles was er über Mario Gomez gesagt hat der Wahrheit entspricht und er sich von Reinhold Beckmann nach der Niederlage der Deutschen nicht ins Bockshorn hat jagen lassen, als dieser Grundsatzdiskussionen und Stammtischgesabbel austauschen wollte. 
Und zuletzt Matthias Opdenhövel, weil er, speziell nach der deutschen Niederlage im Interview mit Joachim Löw, ein journalistisches Feingefühl bewiesen hat, das man dem ehemaligen "Schlag den Raab"-Moderator nicht zugetraut hätte. Ein guter Einkauf! 

** SPORT1.de, Fußball.de, T-Online.de, focus.de, freiepresse.de, u.a. 

*** zum Beispiel sportal.de