Montag, 24. Oktober 2011

Bayern gegen Hannover: Eine Verkettung unglücklicher Umstände

Eins vorneweg: Ich entschuldige mich bei allen treuen Lesern („Hallo Philipp.“) für die mehrwöchige Blog-Abstinenz, hatte viel um die Ohren die letzten Wochen und in der Konsequenz wenig Zeit und noch weniger Motivation zu bloggen.
Aber über was hätte man auch groß schreiben sollen. Der Boulevard hat das Thema Arjen Robben ja bereits totgeritten, Breno geht’s inzwischen auch wieder besser und rein sportlich gesehen war beim FC Bayern ja sowieso alles in bester Ordnung. Selbst die Konkurrenz ergab sich in Demut der Überlegenheit der grossen Bayern. Eine Anerkennung der bisherigen Leistungen oder doch nur ein perfider Plan die Münchener in ihrem Gefühl der Überlegenheit einzulullen?
Was auch immer der Grund dafür war: Die Bayern haben nachgelassen.
Und sobald sich eine Krise andeutet – da kann man sich sicher sein – kommen die Ratten wieder aus ihren Löchern gekrochen, kommen längst vergessene Kritiker mit erhobenem Zeigefinger aus der Versenkung hervor, um darauf hinzuweisen, dass sie es ja schon immer gesagt haben, kommen die abgewracktesten Blogger zurück aus dem Vorruhestand und verteilen ihre Weisheiten unter dem Volk. Hier bin ich also wieder.


Aber der Reihe nach. Ich ärger mich eigentlich nicht sehr über die Niederlage. Für mich war schon vorher klar, dass es ein ganz schweres Spiel werden würde. Hannover ist eine taktisch hervorragend eingestellte Mannschaft, die praktisch keine Schwachstellen hat und sehr unangenehm zu spielen ist. Vor allem für ballbesitzorientierte Mannschaften, wie wir es sind, ist Hannover aufgrund des hervorragenden Umschaltverhaltens eine latente Gefahr. Nun kam es also wie es kommen musste. Die Bayern erwischten nicht ihren besten Tag, allen voran die Nationalspieler Lahm, Gomez, Müller, und so verlor man nicht nur Jerome Boateng, sondern auch das zweite Pflichtspiel in dieser Saison. Wie gesagt, die Niederlage an sich finde ich nicht weiter dramatisch. Vielleicht ist jedoch das gerade die Gefahr für die Münchener.


Das Spiel hatte gleich mehrere Schlüsselszenen, die leider alle nicht sonderlich gut für uns abliefen. Die erste davon war gleichzeitig die ärgerlichste. Phillip Lahm verursachte mit amateurhaftem Abwehrverhalten den Elfmeter gegen Cherundolo, nachdem er zunächst viel zu spät mit in die Mitte gerückt war. Eine Szene wie man sie vom Kapitän sehr selten sieht, nichtsdestotrotz zeigt die Formkurve von Lahm in den letzten Spielen klar nach unten. Gegen Neapel leitete er mit einem Stellungsfehler den Ausgleich ein und auch gegen Hannover war der Elfmeter mitentscheidend für die Niederlage. Umso ärgerlicher war die Szene, weil Cherundolo mit dem Rücken zum Tor zudem von Badstuber und Ribery flankiert wurde und die Szene ohne Lahms Einschreiten wahrscheinlich niemals gefährlich geworden wäre. Beim Elfmeter von Abdellaoue war Manuel Neuer dann machtlos und der Gegentorrekord war dahin. Finde ich persönlich nicht weiter tragisch, irgendwann musste es eben passieren und Manuel Neuer hat noch lange genug Zeit auf des Titans Spuren zu wandeln.


Bis zu diesem Zeitpunkt lieferten sich beide Teams einen offenen Schlagabtausch. Abdellaoue scheiterte freistehend vor Neuer am Pfosten. Mario Gomez Kopfball wurde von Zieler weltklasse pariert und Toni Kroos Schuss aus gut 20 Metern landete an der Latte des Hannover Tores.


Kurze Zeit folgte dann die Szene, die heute und nach dem Spiel die Berichterstattung beherrschen sollte. Zunächst ein neutraler Blick auf den Ablauf der Szene: Rafinha kommt gegen Pinto an der Seitenauslinie einen Schritt zu spät und trifft ihn (Ja, er trifft ihn.) leicht (Ja, leicht.) am Fuß. Pinto liegt hinter der Auslinie und die Vereinsärzte wollen ihn behandeln. Toni Kroos geht zu Pinto und sagt ihm dann noch ein paar Nettigkeiten. Ich vermute etwas in die Richtung: „Stell dich nicht so an, so schlimm war‘s nicht.“ Ein weiterer Arzt/ Sanitäter kommt hinzu und stößt Toni Kroos leicht weg, dieser revanchiert sich ebenfalls mit einem leichten Schubser. Dann kommt Christian Schulz hinzu der Toni Kroos energisch wegstößt, sodass dieser mit dem hinter ihm stehenden Jerome Boateng zusammenstößt. Jerome Boateng stößt daraufhin heftig gegen die Brust von Christian Schulz. Rudelbildung. Alle dabei.


Für mich gibt es jetzt mehrere Blickwinkel auf diese Szene. Erstens möchte ich sagen, wie sehr mich das Verhalten von Toni Kroos oder Jerome Boateng aus Gründen der Fairness auf die Palme bringt. Ja, das Verhalten von Pinto war theatralisch und diente einzig dem Zweck das Foul schlimmer aussehen zu lassen als es war, damit Rafinha eine gelbe Karte bekommt. Ja, ich bin auch Sportler und weiß wie einen sowas manchmal auf die Palme bringen kann, aber („for fucks sake!!!“) da bleib ich als souveräner Tabellenführer dann eben einfach mal weg, akzeptiere die gelbe Karte und spiele mein Spiel weiter. So wäre es nämlich zu dieser ganzen Eskalation nicht gekommen. Genauso muss man allerdings sehen, dass Toni Kroos sowohl zuerst vom Arzt der Hannoveraner gestoßen wurde, als auch danach der Körperkontakt zunächst von Schulz und dann von Boateng ausging. Ich möchte hier noch Mirko Slomka ausdrücklich lobend erwähnen, der sich allem Anschein nach darum bemühte, dass der Schiedsrichter in dieser unübersichtlichen Szene auf Sanktionen verzichtet und das Spiel einfach weiterlaufen lässt.

Es kam jedoch anders. Der vierte Offizielle machte Jerome Boateng als Hauptschuldigen aus und zeigte ihm Rot, während Christian Schulz mit Gelb davonkam. Kann man bemängeln, aber im ersten Moment war das auch für mich die richtige Entscheidung. Je öfter ich die Szene jedoch betrachte, desto mehr setzt sich der Eindruck durch, dass es mit zweimal Gelb auch getan gewesen wäre. Boateng hat Schulz nicht geschlagen – wie es in Teilen der Sportpresse dargestellt wurde – noch war Rot die „einzig richtige“ oder „absolut richtige“ Entscheidung. Es war eine unübersichtliche Szene, die vom Schiedsrichter überinterpretiert wurde, was das Spiel massiv beeinflussen musste.


Was man jedoch als klare Fehlentscheidung bezeichnen muss, ist dass Christian Schulz wenige Minuten vor der Pause nach einem Trikotvergehen gegen Thomas Müller nicht vom Platz gestellt wurde. Da waren sich dann auch nach dem Spiel alle Beteiligten einig, eine klare Fehlentscheidung. Hannover ging also vollzählig in die Pause, wo Mirko Slomka NATÜRLICH Christian Schulz auswechselte.


In der Folge entwickelte sich ein gutes Spiel beider Mannschaften. Hannover lauerte natürlich auf Konter und die Münchener zeigten jetzt deutlich mehr Einsatz als in der Anfangsphase. Mario Gomez scheiterte gleich zweimal am herausragenden Ron Robert Zieler. Auf der anderen Seite zeigte Hannover einmal mehr, wieso sie die effektivste Mannschaft der Bundesliga sind. Christina Panders Schuss aus 20 Metern hätte Manuel Neuer wohl für keine grossen Probleme gestellt, wäre da nicht der Fuß von Luis Gustavo gewesen, der den Ball unhaltbar für Manuel Neuer ins andere Toreck abfälschte. Unglücklich.


Bayern mühte sich in der Folge und kam durch den eingewechselten David Alaba noch zum Anschlusstreffer. Hochverdient, keine Frage. Aber iwie war mir klar, dass es an diesem Tag nicht mehr zu einem Punkt reichen würde. Ich sollte recht behalten. Hannover spielte zu diesem Zeitpunkt auch nur noch zu zehnt, weil Cherundolo nach einem Foul an Ribery Gelb-Rot sah.


Nach einem Zufallsprodukt stand Bastian Schweinsteiger frei vor Zieler, doch der Ball fand nicht den Weg ins Tor, sondern nur an den Pfosten. Von dort sprang er dann genau so unglücklich weg, dass Ivica Olic den Ball nicht erreichen konnte. Aus dem Hintergrund rauschte Philipp Lahm heran und wurde von Rausch zu Fall gebracht. Elfmeter? Mitnichten! Manuel Gräfe krönte seine schwache Leistung und ließ das Spiel weiterlaufen. Und apropos schwache Leistung…Welches Spiel hat eigentlich Marcel Reif gesehen?