Donnerstag, 12. Dezember 2013

Die Illusion deutscher Dominanz

Nachdem gestern mit Schalke 04 und Borussia Dortmund alle vier deutschen Vereine das Achtelfinale der Champions League erreicht hatten, sprach unter anderem Deutschlands Boulevard-Liebling Lothar Matthäus in der „Bild“ reflexartig von einer „dominanten Vorstellung“ der Bundesliga, die seiner Meinung nach „die beste Liga der Welt“ sei. Die mediale Begleitung des Sports (und insbesondere des Fußballs) führt damit nicht zum ersten Mal die geläufige sprachliche Bedeutung deutscher Worte ad absurdum. 

Dass Matthäus die Situation durch die rosarote deutsche Brille zu betrachten scheint, ist eigentlich nicht  verwunderlich. Dafür aber umso mehr die Tatsache, dass derartige Auswüchse in frustrierender Regelmäßigkeit unkommentiert nicht nur von Fans, sondern auch von Journalisten hingenommen und sogar übernommen werden. Jenen also, die eigentlich die Einordnung sportlicher Ereignisse als eine ihrer Kernkompetenzen erachten (sollten). Kurzzeitgedächtnis und Sprachverständnis kommen dabei aber scheinbar meistens nicht zum Einsatz.

Alles gewonnen - alles gut?

Solche journalistischen Unsauberkeiten mögen im Einzelfall zugegeben nicht tragisch sein und ich kann jeden verstehen, der mich einen Pedanten schimpft.  Es passt aber in das Bild der einfachen medialen Denkstrukturen und Kategorisierungen, die besonders im Sport vorherrschen. Alle gewonnen, also alles gut. Verloren, also alles schlecht. Dass sich die Situationen  meist wesentlich komplexer zusammensetzen? Schwamm drüber!

In diesem speziellen Fall ist die Einschätzung des Rekordnationalspielers so fatal falsch, dass wohl sogar Buddha Murat Yakin von seinem Sitz aufspringen würde. Eine internationale Dominanz oder Vorherrschaft der Bundesliga lässt sich – mit Ausnahme des FC Bayern (duh) – weder in den einzelnen Gruppen, noch im Gesamtbild beider Wettbewerbe erkennen.

Fünfjahreswertung als Licht der Wahrheit

Ein Blick auf die Fünfjahreswertung zeigt: von Dominanz ist die Bundesliga Lichtjahre entfernt. 12.285 Punkte sammelten die sieben internationalen Vertreter der Liga bisher. Damit liegt die Liga zwar klar vor den Konkurrenten auf den Plätzen vier bis sechs (Italien, Portugal, Frankreich), aber eben auch deutlich hinter den beiden Topligen Spanien (14.071) und England (13.142), das sogar noch alle sieben Teilnehmer im Wettbewerb hat.

Ja - mögen einige jetzt sagen - aber das liegt nur an den schwachen Freiburgern und dem (überraschend) frühen Ausscheiden des VfB Stuttgart. Diese Teams gehören aber ebenso zur Bundesliga. Davon unabhängig lässt aber selbst ein Blick alleine auf die Champions League die Seifenblase von der deutschen Dominanz zerplatzen.

Und was ist mit England?

Vier der 16 Achtelfinalisten kommen aus Deutschland. Das ist zweifelsohne eine erfreuliche wie beachtliche Leistung. England stellt jedoch ebenso vier Teilnehmer. Dazu holten die vier englischen Teams aber insgesamt sechs Punkte mehr (53) als die vier deutschen Vereine zusammen. 

Auch der direkte Vergleich spricht für die Engländer: Sechs der acht Duelle gegen die Bundesligisten gingen (teilweise deutlich) an die Teams von der Insel (Torverhältnis 21:9). Zur Erinnerung: Manchester United, das Leverkusen („Bester Zweiter aller Zeiten“) zweimal aus dem Stadion schoss, ist derzeit nur Neunter in der Premier League.

Dominanz der Topligen

Dazu kommen noch die Spanier, bei denen drei von vier Teams ihre Gruppe gewinnen konnten. Wenn überhaupt kann man also von einer Dominanz der drei Topligen sprechen, die nun elf der 16 Achtelfinalklubs stellen.

Da diese Fakten aber scheinbar nicht in eine "Bild"-Kolumne oder einen Dreiminüter passen, müssen mitdenkende Zuschauer wohl weiter mit der „Dominanz-Debatte“ vorlieb nehmen. Zumindest bis zum Achtelfinale, wo dann nahtlos in die „Endzeit-Debatte“ übergegangen werden kann.

Lieber ist mir persönlich aber in diesem Fall die ehrliche Rhetorik von Jürgen Klopp, der nach dem entscheidenden Sieg des BVB Mitgefühl für die mit 12 Punkten ausgeschiedenen Neapolitaner zeigte und zugab: „Wir sind Gruppensieger, weil wir auf unsere schlechten Momente gut reagiert haben.“ Eine durchweg realistische Einschätzung in 5 Sekunden. Geht doch.



4 Kommentare:

  1. ganz im ernst? gut geschrieben aber wenn tangieren denn diese begrifflichkeiten wie "beste liga" u.s.w. das ist doch lediglich was für die medien.

    fakt ist mit der buli geht es bergauf aber man ist mit nichten noch lange nicht auf dem niveau der englischen liga, zumindest was die konstanz angeht.

    für die bundesliga wäre es von großem vorteil, wenn sich mal neben dem fc bayern, dauerhaft ein 2. oder 3. verein unter den letzte 8 etablieren würde.

    aber was nicht ist kann noch werden.

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    2. Wie ich ja schrieb: Den meisten wird das egal sein oder garnicht auffallen. Eine Rolle spielt es aber meiner Meinung nach schon und es sollte auch ernst genommen werden.

      Auch Sportjournalismus ist eine Art des Journalismus und hat dementsprechend auch dessen Aufgaben zu erfüllen.

      Man stelle sich nur einmal vor, in der Politik oder Wirtschaft käme so eine absolut haltlose und leicht zu widerlegende Einschätzung der Situation vor.

      Ich habe ja absolut nichts dagegen einzuwenden, dass es eine klare Tendenz pro deutsche Teams gibt. Aber trotzdem wünsche ich mir - und vielleicht ist das naiv - eine etwas differenziertere Betrachtung der Geschehnisse.

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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