Noch ist nichts bestätigt, aber die Anzeichen verdichten sich: Mario Gomez wird den FC Bayern verlassen. Allem Anschein nach Richtung Florenzer AC. Jedoch, so richtig Wehmut will sich bei der bayrischen Anhängerschaft irgendwie nicht auftun – Schade eigentlich.
Der FC Bayern und Mario Gomez - so eine richtig innige
Liebesbeziehung war das nie, obwohl die
Bedingungen dafür durchaus dagewesen wären: Er macht Tore (gar nicht mal so
wenige), der Arbeitgeber holt Titel – woanders reicht das als Grundlage schon
aus, dass man den eigenen Namen zur umgedichteten Melodie eines allseits
bekannten Gassenhauers um die Ohren geschmettert bekommt.
Warum das beim Schwabenbomber mit dem semispanischen
Migrationshintergrund nicht der Fall ist, möchte ich im Folgenden zu ergründen
versuchen.
Der erste Punkt ist – so platt das zunächst einmal auch
klingen möge – sein Aussehen. Auch die Haare. Vielleicht besonders die Haare.
Dazu der adonishafte Körper (wobei das adonishafte gelegentlich dazu neigt,
sich proportional umgekehrt mit dem Näherkommen des Spielgerätes zu
verflüchtigen).
An sich ist gutes Aussehen für einen Fußballer ja nicht
zwingend schädlich. Man bekommt Werbeangebote, darf die eigene, grinsende
Visage in Modezeitschriften, das beschmuckte Handgelenk im Lifestyle-Magazin
der Wochenzeitung und das Gemächt, verpackt in Designerschlüppern, an der
Litfaßsäule bewundern. Dazu gibt’s nen Riesenhaufen Groupies, denen man auch
noch den letzten Dreck verkaufen kann, solange nur der eigene Name draufsteht.
Dass die altersmäßig in der Regel eher am Anfang der Geschlechtsreife stehen –
zweitrangig. Bleibt eben mehr Ernte für den Karriereherbst.
Mario Gomez‘ Problem an dieser Stelle ist, dass er für sein
Aussehen nicht ignorant genug ist. Wo ein David Beckham und Cristiano Ronaldo
es als Selbstverständlichkeit empfinden, beim Klopapier kaufen von 20
Papparazzi begleitet zu werden, um am nächsten Tag eine Lobeshymne über das
passende, weil ebenfalls 4-lagige, Outfit zu lesen, ist einem Mario Gomez diese
mediale Schlagzeilenmaschinerie suspekt.
Das hat er sich vor allem durch die
legendär vergebene Chance bei der EM 08 und während seines ersten Jahres bei
den Bayern angeeignet, als alle darauf versessen waren, den neuen
Rekordtransfer der Bundesliga scheitern zu sehen. Seither pflegt dieser Mario
Gomez einen unprätentiösen, distanzierten und bisweilen auch
herablassend-ironischen Umgang mit den Medienvertretern.
Als er in seinem
zweiten Jahr, am achten Spieltag gegen Hannover aus dem Stand einen Dreierpack
erzielt, wollen alle Journalisten die Phoenix-aus-der-Asche-Story, die
Wiederauferstehung des Totgesagten. Nur Mario Gomez wollte das nicht. Darum
zuckte er lieber mit den Schultern, sprach in zurückhaltender Lautstärke und
lächelte in sich hinein, anstatt sich auf die angebotene Heldenverehrung
einzulassen. Zu frisch waren die Erinnerung an seine öffentliche Degradierung
(„Gomez ist bei mir Stürmer Nr. 4“, Louis van Gaal vor der Saison).
Wenn man sich nicht vom Antlitz des Posterboys blenden
lässt, sondern ihm einfach nur zuhört, merkt man relativ bald, dass da ein
junger Mann spricht, der eigentlich zu reflektiert für den kurzsichtigen,
superlativ-fixierten Medienbetrieb ist. Der, nachdem er wieder mal 3 Tore in 12
Minuten geschossen hat, absichtlich die Luft in Interviews rausnimmt, weil er
ganz genau weiß, dass wenn er im nächsten Spiel die Quote nicht hält, sofort
die Formkrisen-Schlagzeile ausgepackt wird – egal welche Sprache die objektiven
Leistungsdaten sprechen.
Nun kommt jedoch eine strukturelle Komponente ins Spiel, die
diese eigentlich sympathische Eigenschaft des Mario G. ins Gegenteil verkehrt. Diejenigen,
die Mario Gomez bei seinen Interviews nach dem Spiel so milde belächelt, sind
die Typen, die ihm das Mikro unter die Nase halten und Fragen stellen, die an
Banalität kaum zu überbieten sind. Diejenigen, bei denen das aber ankommt,
sitzen Zuhause vor dem Fernseher. Was der ZuschauerIN (*generisches Femininum
für unsere Leipziger Leser) sieht, ist der gelangweilte Gesichtsausdruck eines
ansonsten ziemlich gutaussehenden Jungmillionärs. Und dazu kann ihn nicht mal
so ne affige Frise entstellen!
An dieser Stelle gleitet die zur Schau gestellte
Gelassenheit ganz schnell in eine wahrgenommene Arroganz um. Von der Immunität
gegen überbordende Lobhudelei bis zur antizipierten Überheblichkeit ist es nur
ein ganz kleiner Schritt. Und in einem Medium, in dem Beiträge mit mehr als 30
Sekunden Länge schon als Zumutung für das Publikum empfunden werden, ist diese
Unterscheidung auch nicht immer leicht zu treffen.
So kommt es, dass Mario Gomez vor allem deswegen nicht so
gut mit den Fans kann, weil er mit den Medien nicht so recht möchte, auch wenn
diese ob seines gut vermarktbaren Äußeren gerne würden. Es gibt keine Homestory
in Wohnzimmeratmosphäre, kein Schunkeln mit dem Tegernseer Fandelegierten auf
dem Oktoberfest, ja nicht mal ausgelassene Jubelbilder in der Fankurve nach
einem erzielten Tor, sondern höchstens diesen unspektakulären Torero-Move.
Mario Gomez zweiter Fehler ist, dass er wahrscheinlich
irgendeinen aufgemotzten Audi fährt, anstatt sich endlich mal einen Delorean
zuzulegen. Was in anderen Zusammenhängen als Gnade ausgelegt wird, ist bei
Mario Gomez das Pech der späten Geburt. Seit sich der europäische
Spitzenfußball dazu entschlossen hat, flächendeckend nur noch das katalanische
4-5-1 nachzuspielen, sind Knipser seines Formats nicht mehr gefragt. Stürmer
sollen die Bälle nicht mehr unbarmherzig verwandeln, sondern halten, ablegen,
verteilen und im Extremfall sogar noch erobern!
Vor ein paar Jahren, als man
das gute alte 4-4-2 noch spielen konnte, ohne sich schlagartig zum Gespött der
Fachwelt zu machen, sind Torjäger für ihre unorthodoxen Abschlussqualitäten
gelobt worden. Ulf Kirsten hat ein Tor mit dem Arsch gemacht, Gerd Müller
unzählige in jeder erdenklichen Position – und kaum eins davon war schön herausgespielt.
Aber wenn Mario Gomez ein Tor mit dem Penis erzielt, kichern alle nur anstatt
ehrfurchtsvoll inne zu halten. Was eine ungerechte Welt!
In der Bundesliga hat Mario Gomez 75 Tore in 115 Spielen für
den FC Bayern geschossen, in 39 Champions League Spielen waren es 23 – eine
stattliche Quote. Aber immer musste er sich für die Art und Weise rechtfertigen
(was, um nochmal auf die oben aufgeführte Medienkiste zu verweisen, nicht
unbedingt eine Stärke von ihm ist).
Wahrscheinlich hat Mario Gomez mit wirklich
jedem ihm zur Verfügung stehenden Körperteil (bis auf den Spann) schon
irgendwie eingenetzt. Man könnte das, wenn man will, problemlos als
Vielseitigkeit, Killerinstinkt, unbedingten Willen auslegen. Wenn man nicht
will, macht man daraus eben Tollpatschigkeit.
Mario Gomez ist der wahrscheinlich mit Abstand beste und
effizienteste Torjäger der letzten 15 bis 20 Jahre, nur erkennt man das nicht,
weil die spielsystemischen Anforderungen andere Maßstäbe setzen. Und die
Spielanlage der Bayern war in den letzten Jahren erst recht keine, die seine
Stärken zum Vorschein gebracht hätte. Die starke Verlagerung auf die Außen bringt
einem dynamischen Stürmer wenig, wenn durch die ständigen Hereingaben von der
Seite eher Wuseligkeit auf kleinem Raum und Spritzigkeit gefragt sind.
Dazu sei
erwähnt, dass ich schon Schwierigkeiten habe, mich überhaupt an Hereingaben von
der Robben-Seite zu erinnern – von ‚erfolgreichen‘ ganz zu schweigen! In Anbetracht
solcher Umstände sollte die Bilanz des Mario Gomez vielleicht sogar in noch
hellerem Lichte erstrahlen.
Alles in allem fällt es nicht schwer, Mario Gomez‘
Beweggründe für einen Wechsel nachzuvollziehen. In den 2 Jahren, in denen er
beim FC Bayern in der Spitze gesetzt war, hat er jeweils deutlich über 20
Ligatore erzielt – und musste sich ständig dafür rechtfertigen. In den 2
Jahren, in denen er nicht gesetzt war, lag die Trefferanzahl immer noch im
zweistelligen Bereich – aber die Abgesänge auf ihn waren ungemein heftiger.
Und
nicht mal für das Standing in der Nationalmannschaft war die Anstellung beim
Ligaprimus noch nützlich – Miroslav Klose brauchte nur fit zu sein, um vom
Bundestrainer vorgezogen zu werden.
Wer hätte da nicht Sehnsucht nach der alten Stuttgarter
Zeit, in der das Publikum einem bedingungslos zujubelt und es der Trainer ist,
der sich rechtfertigen muss, wenn der eigene Name in der Startaufstellung
fehlt?! Insofern nimmt man für das bisschen Liebe vielleicht auch den vorübergehenden
Abstieg zu einem Euro-Ligisten in Kauf, denn wer hat gesagt, dass Florenz
Gomez‘ letzte Station bleiben müsse?
Auch ich kann mich nicht freimachen von so manchem
Fluch, Lacher oder Wutausbruch über verstolperte Bälle, missglückte Annahmen
und unnötige Schienbeinpässe. Aber als Typ mochte ich Mario Gomez immer gerne.
Darum, mach‘s gut, Junge! Viel Glück mit den Florentiner Fans und in der Serie
A – um die Tore müssen wir uns ja glücklicherweise keine Sorgen machen…
Andreas Zielke
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